Wie ist Thailand wirklich? Unser Bild war jahrelang sehr zwiespältig: auf der einen Seite Partyreisende, Sextouristen, von BackPackern überflutete Inseln ... auf der anderen Seite tolle Strände, Dschungel, Chaos in den Städten, leckere Garküchen, Märkte, Tempel usw.
Anlass jetzt doch hinzufahren, war mein Kompagnon und bester Kumpel, der hier seit Jahren den Winter verbringt und den wir besuchen wollten. Außerdem schadet es ja nie sich ein eigenes Bild zu machen.
Unser Plan: zuerst den Arbeitsplatz für einige Zeit auf die Insel Koh Tao zu verlegen und dann herumzureisen, inklusive einem Abstecher nach Kambodscha (diesen haben wir nach dem Finden unserer Trauminsel auf nächstes Jahr verschoben).
Station 1: Bangkok und Weiterfahrt mit Nachtzug und Fähre nach Koh Tao
Frühmorgens nach einem Zwischenstop in Doha in Bangkok angekommen, fuhren wir mit dem top-modernen Skytrain in die Innenstadt, wechselten dann in die Metro und gelangten zu unserem Ziel Bang Sue, dem Bahnhof. Alles super easy und erstes Beschnuppern des thailändischen Alltags - deswegen nutzen wir wann immer möglich öffentliche Verkehrsmittel.
Am Bahnhof fanden wir tatsächlich den kuriosen Schalter, an dem wir die vorab bei 12go gekauften Nachtzug-Tickets abholen sollten. Die alte Dame legte mir einen Stapel Briefumschläge auf den Tresen und bedeutete mir gestenreich, meinen zu finden - und alles war tatsächlich da!
Nachdem es keine Gepäckaufbewahrung (bzw. nur kaputte) gab, wir super-müde waren und nicht mehr weit herumlaufen wollten, gingen wir zu dem bahnhofsnahen sehr netten Queen SiriKit Park, relaxten und beobachteten die Menschen, die kamen und gingen.
Am späten Nachmittag ging's dann zurück zum Bahnhof und wir fuhren mit dem Nachtzug im Schlafwagen nach Chumphon von wo es dann um 7 Uhr morgens mit dem Speedboot und recht heftigem Wellengang in 2h nach Koh Tao ging.
Station 2: Workation auf Koh Tao
Hier bezogen wir die kleine grüne Hütte am Sairee-Strand und fühlten uns fast wie im Paradies: keine 10m von uns das türkise Meer, der feine weiße Sandstrand, Palmen mit Hängematten, eine Schaukel zum Seele baumeln lassen und abends dann auch noch traumhafte Sonnenuntergänge.
Dazu coole Cafés mit netten BackPackern und DigitalNomaden, Thai-Küchen, unzählige Tatoo-, Yoga- und Massage-Studios, Cannabis-Läden und vegane Restaurants. Die Temperaturen liegen zwischen 29 Grad tagsüber und 26 Grad nachts. Nahezu perfekt.
Und zugleich ist diese Insel eigentlich nur für Reisende da. 1980 von den ersten Traveller entdeckt, verschrieb sie sich schließlich mit Haut und Haaren dem Tourismus - wenn auch einem sehr angenehmen. Wäre er nicht da, gäbe es hier höchstens ein paar Fischer. Das bedeutet: es gibt hier zwar eine tolle internationale Vielfalt, aber nur wenig normales Einheimischen-Leben, außer im Hafenort zu dem man in 15min hinlaufen kann. Für mich etwas gewöhnungsbedürftig.
Doch mit dem Wissen, dass wir nach den Arbeitswochen auf Koh Tao weiterziehen werden, ließ ich mich schnell auf das Genießen ein.
Hier arbeite ich relativ viel. Dank der in D gekauften eSIM von AISIM (300GB für 30 Tage und 34$) und v.a. des wirklich guten Datennetzes überall klappt es sehr gut. Bis mittags ist absolute Focus Time, dann erwachen die Europäer und die E-Mails kommen herein. Diese Einteilung des Tages gefällt mir. Nur die (dt.) Abendseminare sind durch die Zeitumstellung heftig. Aber naja, man kann nicht alles haben.
Station 3: Khao Sok Nationalpark und Cheow Lan Lake
Bevor wir im Nationalpark ankamen, hatten wir nach Fähr- und Busfahrt noch ein paar Stunden Zeit in Surat Thani - für Traveller eigentlich nur eine Umsteigestadt. Wir fanden sie sehr spannend - eine typische asiatische Stadt mit Märkten, interessanten Gassen und wilden Ladengeschäften. Der Aufenthalt hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Spätabends endlich in Khao Sok angekommen, wussten wir sofort, dass wir hier eine schöne Zeit verbringen werden: ein Stelzenhaus im üppigen tropischen Garten mit sehr netten Betreibern. Und ab 6 Uhr das unvergleichliche morgendliche Konzert: zuerst wahnsinniges Grillen-Zirpen, dann Stille, dann nach und nach mehr werdende exotische und sehr laute Vogelstimmen - perfekter Start in den Tag.
Nach einem gemütlichen Frühstück schlenderten wir durch den ruhigen Ort, der geprägt ist von Wander:innen und Naturliebhaber:innen. Nachmittags machen wir eine schweißtreibende, 4-stündige Dschungel-Wanderung im Nationalpark Khao Son - zwar nicht super-spektakulär und trotzdem sehr zu empfehlen. Auch wenn man diese Tour ganz easy auch auf eigene Faust machen kann, entschieden wir uns für einen privaten Guide, der uns Tarantel-Löcher, Riesenspinnen, Affen und alle möglichen abgefahrene Pflanzen auf schmalen Pfaden zeigte, die man alleine nicht gehen darf. Zugleich sehen wir es als Unterstützung für die Locals. Abends fielen wir ziemlich früh und müde ins Bett.
Ca. 1h vom Ort Khao Sok entfernt liegt der Cheow Lan Lake, ein 1982 entstandener Stausee zur Wasserspeicherung und Energiegewinnung. Er ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Das Besondere sind die senkrecht nach oben ragende Felsspitzen und bizarren Kronen abgestorbener Bäume. Auch die kleine Dschungelwanderung war sehr lohnenswert. Auf den Ausflug in eine der vielen Höhlen hätten wir dagegen verzichten können. Die Longtail Boote haben zwar einen ursprünglichen Charme, sind aber umwelttechnisch sehr bedenklich. Schade, dass nicht nach und nach auf E-Boote umgestellt wird.
Station 4: Ranong
Eigentlich wollten wir das Ende des Chinesischen Neujahrsfestes hier miterleben, doch es wird leider nur der Start richtig gefeuert. Die Tage hier waren dennoch gut, weil Ranong ein echter Kontrast zu Koh Tao und Khao Sok ist - eine Stadt, in der Touristen tatsächlich noch selten sind, d.h. man wird neugierig beäugt, alle Speisekarten sind nur auf Thai, die Menschen sprechen kein Englisch (der Handy-Übersetzer leistete beste Dienste), TukTuks sind sehr rar, nach 20h ist tote Hose, so dass wir am ersten Abend vom Kellner auf dem Roller heimgefahren wurden.
Station 5: Koh Chengnoi
Schon als das Pier gar nicht zum Boot passte, hatte ich die erste Ahnung, dass wir hier unsere kleine Trauminsel finden werden - und es bestätigte sich: immer freundliche, entspannte und lächelnde Menschen (egal ob Einheimische oder Reisende), dichter Urwald, lange Sandstrände, viel Ruhe, Stille und Natur pur.
Wem eine gute Infrastruktur, 100%ige Sauberkeit, Air Condition, ATM, Partys und gute, vielfältige Einkaufsmöglichkeiten nicht wichtig ist, dafür mit vielerlei Insekten - auch im Zimmer-, Strom z.T. nur stundenweise, einer schmal ausgebauten Straße, zwei Minimärkten und einfachen Hütten am Strand klarkommt, ist auf dieser kleinen Insel genau richtig.
Zugleich gibt es viel zu entdecken: einen Tempel, der leider wie eine Ruine aussieht, aber Teil eines noch bewohnten Klosters ist und genutzt wird. Eine riesige Buddha-Statue direkt neben unserem Resort, deren Besuch immer wieder guttut.
Wer gerne wandert, kommt hier auch auf seine Kosten: eine 4-5 stündige, schweißtreibende Rundtour durch z. T. sehr dichten Urwald wurde von Rangern 2019 angelegt und mehr oder weniger gepflegt. Auch ein längerer Spaziergang zum Süßwassersee mit ganz eigenen Biotopen lohnt sich sehr. Auf den Pfaden kann man exotische Tiere und Pflanzen bewundern und v.a. den Urwaldgeräuschen lauschen.
Die kilometerlangen Strände im Westen laden zu langen Spaziergängen ein, die spannend sind, weil durch die Zinn-Durchsetzung die von Krebsen produzierte Muster im Sand zu wahren Kunstwerken werden. Kaum sichtbar liegen die Bars am dicht bewachsenen Ufer und laden zum kühlen Leo-Bier ein.
Im Norden der Insel gibt es eine der wenigen sesshaft gewordenen Moken (eine Seenomaden Ethnie mit eigener Sprache, Riten und Gesetzen), die etwas abgeschottet in einem Stelzendorf leben.
Auf der Insel ist eine sehr besondere Symbiose zwischen Einheimischen und Reisenden, überall fühlt man sich willkommen und wird herzlich gegrüßt. Auch unter den Touristen herrscht eine ungewöhnlich freundliche und offene Stimmung. Überall finden sich nette Menschen zum Ratschen oder man sitzt einfach nur da und bleibt für sich.
Hier endet auch die Workation (die trotz der Einfachheit und dank kontinuierlichem 5G wunderbar funktionierte). Der Urlaub kann beginnen. Wir entrücken hier jeglichem Alltag und genießen das in vollen Zügen. Wir sind angekommen.
Nach einem Monat hier überkam uns am letzten Tag wirklich heftiger Abreise-Blues - der Gedanke ans Wiederkommen tröstete uns dann jedoch schnell.
Station 6: Bangkok
Bangkok ist perfekt um den Übergang von Trauminsel zu Deutschland gut zu gestalten: noch einmal richtig tolle Eindrücke, viele Erlebnisse und Erfahrungen. Wir laufen viel durch die Straßen, fahren mit Busse, öffentlichen Booten und Tuktus und entdecken dabei viele feine Ecken.
Ganz besonders beeindruckt hat uns die neue riesige 60m-Buddha-Statue samt Tempel und Kloster und der gegenüberliegende alte Tempel. Zwei echte Highlights. Zudem Chinatown, das von Lebendigkeit, Gerüchen und Eindrücken kaum zu überbieten ist.
Richtig schrecklich war die Khaosan Road, die angebliche BackPacker Straße, die aber eigentlich eine Ballermann Straße ist mit Alkohol aus Eimern, Lachgas aus Luftballons, ohrenbetäubender Musik und Animateur:innen, die in die Lokale zerren wollen. Gruselig. Wir wohnen direkt dran (aber in einer ruhigen Nebenstraße) und können den Wahnsinn aus der Distanz beobachten.
Fazit: wir kommen wieder!
Es hat sich gelohnt, dass wir uns selbst ein Bild von Thailand gemacht haben, denn es hat sich als perfektes Überwinterungsziel herausgestellt:
- es gibt unglaublich viel zu entdecken (Kultur, Natur ...)
- das Reisen im Land ist unkompliziert und einfach (am besten in den kleinen lokalen Reiseagenturen buchen statt online über 12go)
- Unterkunft und Verpflegung sind extrem günstig - wichtig für längeren Aufenthalt
- es gibt überall super Internet - wichtig für das mobile Arbeiten
- das Klima ist einfach wunderbar wohltuend: nicht zu heiß und nicht zu kühl
- das Essen ist ein wahrer Genuss
- es gibt noch die ganz besonderen Orte, wo Natur, Einheimische und Reisende im Einklang sind
- die Thais sind unglaublich entspannt, humorvoll und immer freundlich - und haben ein absolutes Improvisationstalent
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